Markus inklusiv – Der Weg zu einer Haltung
Unter dem Titel „Markus inklusiv“ hat sich die Markuskirchengemeinde als kleine, aktive Gemeinde am süd-westlichen Stadtrand von Hildesheim auf den Weg gemacht, ihr Gemeindeleben inklusiv zu gestalten. Eingebettet war das Vorhaben in die Teilnahme an dem Projekt „Gemeinde inklusiv“ der hannoverschen Landeskirche. Mithilfe der Mittel aus dem Fonds Missionarische Chancen, eines hohen Spendenaufkommens aus der Gemeinde und einem Personalkostenzuschuss der Agentur für Arbeit konnte für den Projektzeitraum (1.4.2016 - 30.9.2018) eine Diakonin im Umfang einer vollen Stelle eingestellt werden mit dem Schwerpunkt auf Inklusion in der Seniorenarbeit sowie der Vernetzung nach innen und außen. Begleitet wurde das Projekt intern von einer Steuerungsgruppe sowie extern durch die Referentin für Inklusion der Landeskirche Hannovers, Sabine Hettinger.[1]
Im Projektverlauf hat sich sehr bald herausgestellt, dass das Vorhaben, die Gemeinde inklusiv zu gestalten, ein immerwährender Prozess ist. Denn bei dem Thema Inklusion geht es in erster Linie um eine Haltung, die eingeübt werden muss: „Nicht füreinander, sondern miteinander“ - so soll das Gemeindeleben gestaltet werden. Es geht um Beteiligung, Teilhabe, um Sensibilisierung füreinander und schließlich auch um eine einladende Willkommenskultur, die mögliche Barrieren aufspürt und abbaut. Im Hintergrund dieser Haltung steht die an Psalm 8 angelehnte Überzeugung, dass jeder Mensch von Gott gekrönt, wertvoll und wichtig ist.
Den Auftakt des Projektes bildete eine Zukunftswerkstatt in der Gemeinde. Bei einem Gottesdienst mit anschließender Gemeindeversammlung wurde das Thema Inklusion schließlich in einem geistlichen Rahmen in die Gemeinde eingeführt und diese für das Thema sensibilisiert. Mit der Entwicklung eines Logos (Kombination von Gemeindelogo und Kronenmotiv) wurde das Thema schließlich auch sichtbar und wiedererkennbar für Gemeinde und Stadtteil.
Im Laufe des Projektes sind verschiedene beteiligungsoffene Angebote und Formate entstanden, wie beispielsweise eine lange Tafel in einem Wohngebiet, ein sog. „Gottesdienst für alle“, ein internationales Willkommensfest im Kindergarten. Im Senioren- sowie im Kinder, Familien- und Jugendbereich haben sich außerdem sog. „runde Tische“ etabliert, bei denen die beiden Arbeitsbereiche überarbeitet und neukonzipiert wurden und schließlich verschiedene neue und ehrenamtlich geleitete Angebote entstanden sind (z.B. „Runde der aktiven Alten“ und „Kleine Kaffeefahrten“ für Senioren, Waldtag oder Kinderdisco für Kinder und Familien). In einer Schreibwerkstatt haben nicht zuletzt etwa 30 interessierte Gemeindeglieder unter der Moderation des Referenten für Inklusion der Nordkirche, Jörg Stoffregen, ein Leitbild für die Gemeinde gemeinsam geschrieben.
Daneben wurden die verschiedenen Möglichkeiten zur Teilhabe in der Gemeinde unter die Lupe genommen. Wer findet Zugang zu den Gebäuden, Angeboten und Veranstaltungen der Gemeinde? Wer nicht und warum nicht?
So hat sich in diesem Rahmen bspw. eine Gruppe von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen zusammengetan, um ihre Situation zu verbessern. Dabei hat die Arbeit der Gruppe ein Verstehen in mehrfacher Hinsicht bewirkt: So wurde nicht nur eine neue Verstärkeranlage für die Kirche angeschafft, die Predigt zum Mitlesen in den Gottesdiensten ausgelegt oder ein Sprachtraining für die neu-gewählten Kirchenvorsteher organisiert. Darüber hinaus haben die Menschen mit Hörbeeinträchtigungen auch eine Wertschätzung erfahren. Zudem sind die Sensibilität und das Verständnis für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen in der Gemeinde gewachsen. Nicht zuletzt haben einige, die schon lange mit einer Beeinträchtigung leben, auch den Mut gefunden, ihre eigene Beeinträchtigung zu zeigen und zu ihr zu stehen.
Auch bei einem inklusiven Stadtteilspaziergang in Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat der Stadt Hildesheim wurden die Teilnehmer*innen für Menschen mit Beeinträchtigungen sensibilisiert.
Bei allen positiven Erfahrungen haben wir im Projektverlauf erlebt, dass wir immer wieder in die alten Denk- und Handlungsmuster zurückgefallen sind. Wir mussten erkennen, dass inklusive Prozesse nicht linear verlaufen, sondern spiralförmig. Immer wieder scheint es, als stünden wir ganz am Anfang. Doch dann blicken wir zurück und sehen: Es ist unglaublich viel passiert in den zurückliegenden drei Jahren. Es lohnt sich dranzubleiben.
In der letzten Projektphase ist es gelungen, für nahezu alle entstandenen Aktivitäten und Angebote ehrenamtliche Teams zu bilden, die die begonnenen „Projekte“ in Eigenregie weiterführen. Aus der Zukunftswerkstatt hat sich inzwischen die „Gemeindewerkstatt“ entwickelt, die zweimal im Jahr stattfindet und ein für alle Interessierten offenes Forum darstellt, bei dem Prozesse und Themen der Gemeindeentwicklung diskutiert und Beteiligungsprojekte (weiter-)entwickelt werden.
[1] Link zur Filmdokumentation „Gemeinde inklusiv“: https://www.youtube.com/watch?v=6yqJ7b__Jlo